"Ausländerkinder-Pflegestätten" in Schleswig-Holstein

Diesem Kind einer NS-Zwangsarbeiterin in Mühbrook (bei Bordesholm) ist es scheinbar gut ergangen

   

Diese beiden Fotos zeigen drei zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppte Menschen. Stanislaw Jesionek und das mit ihm befreundete Paar aus Polen stehen im Garten des Bauernhofes von Fritz Harder in Mühbrook (bei Bordesholm). Dieser hatte Arbeitskräfte beim Arbeitsamt in Neumünster angefordert und das Paar aus Polen zugewiesen bekommen. Nach der Geburt des Kindes gestattete der Ortsbauernführer von Mühbrook, dass das Paar mit seinem Kind gemeinsam eine Kammer bewohnen durfte. Stanislaw Jesionek war Zwangsarbeiter bei der Baufirma Habermann & Guckes und musste in einem Kieswerk in Brüggerholz arbeiten. Er war aber melderechtlich in Wattenbek erfasst worden, da dort im Frühjahr 1940 für mehr als 30 Arbeitskräfte aus Polen eine neue Wohnbaracke errichtet worden war. Jesionek wird vermutlich an einem Sonntag seinen Arbeitseinsatzort verlassen haben und ist nach Mühbrook aufgebrochen, um dem mit ihm befreundeten Paar zur Geburt des Kindes zu gratulieren.

Es ist anzunehmen, dass die Fotos im Sommer 1940 oder 1941 aufgenommen worden sind. Damals wussten die deutschen Arbeitseinsatzbehörden noch nicht so recht, wie sie mit schwangeren Zwangsarbeiterinnen umgehen sollten. Erst im August 1941 wurde beschlossen, dass "schwangere ausländische Arbeiterinnen sofort nach Bekanntwerden der Schwangerschaft ... in die Heimat zurückzubefördern" seien. Diese Regelung wurde aber schon im Dezember 1942 widerrufen: jetzt suchte man nach Möglichkeiten, wo und wie die Entbindung von schwangeren Zwangsarbeiterinnen in der Nähe ihres Arbeitseinsatzortes vorgenommen werden konnte. Gleichzeitig wurde auch nach Möglichkeiten gesucht, die Kinder von Zwangsarbeiterinnen zentral unterzubringen, damit die Mütter uneingeschränkt arbeitsfähig seien. Im Juli 1943 war es dann der "Reichsführer-SS und Chef der deutschen Polizei" Heinrich Himmler, der für solche Kinderheime eine "hochtrabende Bezeichnung" verlangte und schließlich den Begriff "Ausländerkinder-Pflegestätte" propagierte.

Es ist also durchaus möglich, dass das Kleinkind aus Mühbrook, das 1940 oder 1941 geboren worden ist, später (d.h. 1943 oder 1944) doch noch in so ein neues "Kinderheim" (z.B. in das "Ostarbeiter-Kinderheim" in Wiemersdorf) verbracht wurde - und den Aufenthalt dort eventuell nicht überlebt hat.

 


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